Apokalypse

… das Menschwesen redet gern von Zeitenende und Zeitenwende und Apokalypse und Endzeit. Wisset: die Endzeit ereignet sich immer und überall, jederzeit in jedem einzelnen Menschwesen. Das Gericht ereignet sich jederzeit und überall. Jederzeit und überall sitzt jedes einzelne Menschwesen über sich selbst zu Gericht, in seinen moralischen Entscheidungen. Das ist seine Freiheit.

Die moralischen Entscheidungen des Menschtieres beziehen sich jeden Tag neu auf eine jeden Tag gewandelte Welt. Dies beachtet. SIE ist jeden Tag auf dem Planeten des Menschtieres zugange, wandelnd erhaltend gestaltend umgestaltend. SIE ruht niemals. Kein Grashalm auf diesem Planeten, dem SIE nicht IHRE Aufmerksamkeit widmete. Weil SIE so tut, kann das Menschtier niemals wissen, was die nächste Sekunde bringen wird. Die verkommensten Betrüger unter den Menschtieren sind jene, die die Zukunft deuten zu können behaupten. Gewiss ist: niemals tritt ein, was die Betrüger weissagen, was die Betrüger weissagen, tritt niemals ein. Es ist fast wie ein Spiel. Die Weissager wissen alles, nur nicht, was geschehen wird. Als wären sie alle in diesem einen Punkt zuverlässig blind. Es ist da eine Blindheit am Werke, denn wäre nur Zufall am Werke, dann müssten doch die Weissager rein zufällig ab und zu das Rechte treffen. Das tun sie aber niemals.

SIE wandelt die Welt des Menschen fortwährend und ohne Unterlass, und es kam in allen Leben des Jungen, in allen dieser eine Augenblick, dieser eine königliche Moment, da er solcher Wahrheit recht inne wurde und sich erfüllt fühlte von einem Glanz, dass er meinte das schwache Gefäß seines Leibes zerspringen zu fühlen.

Die Welt ist neu in jedem Augenblick, wusste er. Wahrhaft neu. Nicht nur gewandelt. Neu geschaffen aus dem Grund. Die Welt ist Geschenk und Glanz und Abenteuer und Erfüllung. Oh über dies Fest! Mein Leben ist erfüllt, und ich bin Sieger. Ich halte die Hände auf, und mir wird das Fest der Erfüllung.

Gnade. Das alte Wort. Gnade.

Die Gnade wird mir geschenkt, zu jeder Minute. Die Gnade waltet in meinem Fleisch in meinem Blut in jedem Atemschlag, und all mein Wissen und all mein Sein ist erfüllt von Erfüllung.

Es gibt keine Niederlage es gibt keinen Untergang. Es gibt nur Sieg.

Gnade, und Sieg.

Er vermochte das, der Junge. Vermochte in jedem seiner Leben, Welt und Leben als Geschenk zu begreifen, des Fülle alle Fassung sprengte. Die Wunder der Regentropfen! rollende Kronjuwelen, rieselnde Geschmeide aus Weltinnen. Und jedes Ereignis Offenbarung. Glanz. Freude.

(Peter von Mundenheim, unveröffentlichtes Manuskript, dieser Ausschnitt veröffentlicht 03.11.2021, © Verlag Peter Flamm 2021)