Leben, dachte der Junge. Warum sollte es denn verboten sein, leben zu wollen. Das Nachdenken ergibt sich von selbst, aber wenn alles Denken nur damit beschäftigt ist, die Latrinen zu reinigen, welche Kraft soll dann noch übrig bleiben, das Leben zu leben?
Die Zurechtwissereien lagerten in seinem Alter über allen Geländen der Welt wie Kotschinken, dick und stink und erstickend. Es war kaum noch möglich, ein Wort öffentlich zu äußern, es werde nicht sofort einem Gewiss zugeordnet, pörend oder schulterklopfend. Was immer einer sagte, es wurde ihm vorgehalten, er müsse doch das Pören bedenken und das Schulterklopfen, achten vor allem darauf, dass ihm nicht von der falschen Seite her die Schulter beklopft werde.
Auch mehrte sich die Zahl der Gesprächslagen ins Ungemessene, da Zweifel Einwand Widerspruch Bedenken Gegenmeinung nicht mehr mit Argumenten, sondern gleich mit Pörung beantwortet wurden. Pomp blies sich auf zu Pörblas, wo einer ging und stand, und endlich hörte die Pörung auf, noch Reaktion zu sein, und wurde zum ursächlichen Pumpdruck jedweder Äußerung, was immer einer dann sagte und äußerte, er emanierte es pörend, vorweg gleich klarstellend, Widerspruch sei nicht mehr vorgesehen. Die pompenden Bombastprediger begrölten alle Sachverhalte, puterrot vor Pörung, brüllend und fletschend, keine Gerechtigkeit kein Frieden! die Pörung selbst wurde zur Botschaft zum Ereignis zur Nachricht, die Tausende meldeten sich zu Wort, nicht um ihre Meinung, sondern um ihre Pörung zu bekunden, Wortmeldungen wandelten sich von Gesprächsangeboten zu Deklamationen, und was immer einer zu sagen hatte, er sagte es pörknall dekretierend, jedem möglichen Einwand gegenüber schon vorbeugend fassungslos, fassungslos vor Pörung, Pörung nicht nur über den mutmaßten Gegenwind, sondern Pörung sich schon erhebend bei der bloßen Vorstellung, dass ein solches Lüftchen wage zu wehen, kann das passieren, echauffierte sich Pörung, kann das denn wirklich passieren, dass da einer gegenstimmt, ist eine solche Ungeheuerlichkeit des Möglichen eine solche Möglichkeit des Ungeheuerlichen wirklich in der Welt, ist diese Welt wahrhaft so beschaffen, oh was muss ich pören angesichts solcher Beschaffenheit der Welt, ich fasse es nicht.
Mit all dem wäre zu leben gewesen, wäre nicht selbst das Denken in der Stille in aller Stille kontaminiert worden vom Gewiss. Denken in der Stille ist doch immer auch Denken, das daran denkt, sich einmal öffentlich zu machen. Denken unter der Knechtswut der Pörung aber ist Denken, das denkt sich, bleib besser still. Geh nicht raus. Mach nicht einmal das Fenster auf. Draußen wird nicht gedacht, schon gar nicht gelacht, draußen wird gebrüllt, draußen wird gepört. Erklär dich! Bekenne dich! schreit die Maulschelle von allen Seiten, und wenn du deine eigenen Gedanken hast, sieh ein die Unmöglichkeit, dich überhaupt noch zu äußern. Die Pörung wiehert schon, du holst noch Luft zum ersten Wort. Die Pörung pört schon, da bist du noch mit Denken beschäftigt, und gerade dies dein Zögern, es pört die Pörer, denn du sollst nicht zögern, du sollst nicht denken, du sollst begeistert zustimmen, aus dem Stand heraus, enthusiastisch, ohne Bremsweg, alles andere pört. Es ist kein Ohr mehr offen im Gedrauß für deine eigenen Gedanken, du holst noch kaum Luft, dich zu explizieren, schon bist du einem umlaufenden Gebell zugeordnet, und musst richtigstellen, musst argumentieren, musst diskutieren.
Die Fäkaille gewöhnte sich an zu melden, in vollem Ernst, diese und jene Äußerung hat in den elektronischen Spielzeugen Pörung verursacht.
Pörung als Nachricht.
Erlogene Nachricht, das ist eine Tautologie, wir reden von der Fäkaille, denn die Pörung wurde niemals verursacht, sie war selber ursächlich, sie suchte und spürte nach Anlässen, fand immer einen, erfand immer einen. Pörung will pören, Pörung will sich ausleben. Wenn du ein pörendes Menschtier siehst vor weitem, geh stiften, solange du noch kannst, es sucht ein Objekt, ihm die Pörung um den Hals zu hängen, du kommst vielleicht gerade recht.
Und also verziehst du dich und denkst: Ihr seid Dreck. Ich kann den Gedanken an euch nicht mehr ertragen, geschweige denn euren Anblick.
(Entnommen einem unveröffentlichten Manuskript Peter von Mundenheims. Der aufmerksame Leser wird bemerken, der Text lässt sich lesen als Kommentar zu dem abgeschlossenen Thread Peter Flamms über die Corona-Hysterie, 12. – 24.10.2021. Oder auch zu der gemeinsam von Peter von Mundenheim und Peter Flamm verfassten Überlegung, betreffend den „Ruf des Bessermenschen“, vom 27.10.2021. Dieser Ausschnitt veröffentlicht 30.10.2021, © Verlag Peter Flamm 2021)