Irgendwann erwacht einer zum Bewusstsein und sieht Dinge. So viele Dinge. So unendlich viele Dinge. Wolken und Licht. Und all die Klänge! Wörter strömen ein, formen sich zu Satzgirlanden.
Und irgendwann kriegt er mit, er, der da erwacht ist, dass man diesen ungeheuren hallenden Raum der Ereignisse „Bewusstsein“ nennt. Er lernt dann sogar, von „meinem“ Bewusstsein zu reden, denn er bekommt mit, da geschehen Dinge in diesem Raum, von denen wissen die anderen Personen nichts. Träume Wörter Gedanken Einbildungen herbeiströmende Melodien. Das ist seltsam, denn die vielen Personen, die doch von den meisten Dingen nichts wissen, die sich in „meinem Bewusstsein“ ereignen, all diese vielen Personen, die sind doch auch Teil „meines Bewusstseins“.
Das Bewusstsein lernt früher oder später, die Bewusstseinsdinge zu ordnen.
Da sind die Bewusstseinsdinge, zum Beispiel Wörter, bei deren Nennung nicken die anderen Personen und sagen: Kenn ich.
Das Bewusstsein hört aber auch Wörter, bei deren Nennung fragen die anderen Personen: Hä?
Das Bewusstsein wird belehrt, es müsse unbedingt zwischen wirklichen und ausgedachten Personen unterscheiden.
Das Bewusstsein fängt an, Romane zu lesen, und entdeckt, die Personen, die in den Romanen vorkommen, sind oftmals viel wirklicher als die, die in das Bewusstsein eintreten und prahlen, ich bin aber wirklich.
Die Personen, die in das Bewusstsein eintreten und prahlen, ich bin aber wirklich, treten oft ein in das Bewusstsein gewaltsam. Sie machen sich geltend. Ihr Auftritt ist hasserfüllt. Sie streifen im Bewusstsein umher und zeigen mit Fingern. Falsch! falsch! brüllen sie. Sie rufen sich gegenseitig kopfschüttelnd zu: Was der sich denkt! Was denkt der sich eigentlich? So geht das ja nicht!
Das Bewusstsein lernt, auf der Hut zu sein.
Das Bewusstsein lernt, bestimmte Personen gar nicht erst rein zu lassen.
Wo kommen die überhaupt her? Wie schaffen die das immer wieder, sich Zutritt zu verschaffen?
Das Bewusstsein lernt, es ist gar nicht so leicht, Personen draußen zu halten. Die kommen rein ungefragt, die klopfen nicht einmal an, die trampeln mit ihren kotbesudelten Stiefeln herum im Bewusstsein, als sei das hier ihr Zuhause, als sei das hier ihr Besitz.
Sie machen sich heimisch im Bewusstsein, im Wohnzimmer pinkeln sie auf den Teppich, und in der Küche popeln sie sich in der Nase.
Das Bewusstsein ist lebenslang damit beschäftigt, Personen, die es nicht haben will, wieder hinauszubringen.
Die Personen sind hereingekommen unvermerkt, sie sind plötzlich da und drinnen. Sie wieder rauszukriegen, ist Aufgabe und Mühe und Arbeit.
Das Bewusstsein ist noch im Alter damit beschäftigt, Personen wieder hinaus über die Grenze zu jagen, die haben sie überschritten, da war das Bewusstsein eben zu sich selber erwacht.
Überall diese Dinge, die in das Bewusstsein dringen wie feiner Regen, wie bunte Nebel, von allen Seiten! Worte Bilder Melodien! Das Bewusstsein weiß sich gar nicht zu fassen, ob all der Herrlichkeiten. Und von allen Seiten hereindrängend die Personen, die pinkeln und schreien, das ist alles bloß Dreck.
Du musst diese Personen loswerden, flüstert es in den Wiesen des Bewusstseins. In den Wiesen, da die Schmetterlinge tanzen. In all diesen unerforschten Geländen. Denn egal, wie viele Jahre vergehen, das Bewusstsein kennt sich nicht, bei jedem Schritt entdeckt es neue Orte, neue Begebenheiten.
Hasserfüllt stöbern die Eindringlinge und pinkeln und scheißen. Du musst uns beachten! fordern sie. Wir sind die Wirklichkeit. Die einzige Wirklichkeit! Unser Urteil gilt!
Ihr seid gar nichts, flüstern die Gräser der Wind der Regen. Ihr stört hier bloß. Ihr seid Dreck.
Das Bewusstsein hat gut zu tun.
Lebenslang.
Lebenslänglich.
(Das schrieb Peter von Mundenheim für diese Seite am 23.09.2021, © Verlag Peter Flamm 2021)